Offener Brief des Geschäftsführenden Vorstandes von pax christi zum Interview des Abgeordneten Michael Brand, MdB am 21.01.2010 in der Fuldaer Zeitung
26. Jan 2011
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Brand,für pax christi ist mit Blick auf das Afghanistan-Mandat die Frage wichtig, wie es zu verantworten ist, sehenden Auges in den kommenden drei Jahren Krieg zu planen und Tausende von Toten einzukalkulieren. Wer die Opfer ignoriert, weicht entgegen christlichen Maximen der Verantwortung aus, nicht aber wer aus dem Gebot der Nächstenliebe nach anderen als der kriegerischen Lösung sucht.
Noch bedauerlicher ist gerade aber, dass ein Blauhelmeinsatz mit dem Hinweis auf Ruanda vom Tisch gefegt wird, wo bekanntlich die Blauhelme eine Woche vor dem katastrophalen Morden abgezogen worden sind, weil die Warnungen nicht ernst genommen wurden und die Staaten den Einsatz der Vereinten Nationen nicht mehr tragen wollten. Das war unverantwortlich.
Das Argument des notwendigen militärischen Schutzes für den zivilen Aufbau in Afghanistan ist längst durch die Träger der Entwicklungshilfe widerlegt, die die militärische Nähe abgelehnt haben, nicht nur weil diese ihre Mitarbeiter gefährdet statt zu schützen, sondern weil die zivil-militärische Zusammenarbeit gerade wegen ihrer Nähe zum kriegführenden Militär zunehmend von der afghanischen Bevölkerung abgelehnt, ja sogar angefeindet wird.
Und die Empfehlung zur Reise nach Afghanistan? Die weckt Erinnerungen an das vergangene Jahr, als die Union schon einmal die friedensethischen Kriterien einer kirchlichen Kritikerin als unwissendes Gerede abzutun versuchte und weil solche Truppenbesuche mehr einem Schaueffekt zu Gunsten des Militärs als der Nothilfe für die afghanische Bevölkerung dienen.
Der Krieg ist längst bei uns angekommen, wir brauchen nicht mehr nach Afghanistan zu reisen. Die immer größer werdende Zahl der traumatisierten deutschen Soldatinnen und Soldaten, das Leid ihrer Familien und nicht zuletzt die für die Unmenschlichkeit des Krieges vergeudeten Milliarden sind auch ein Grund, weshalb 70% der Deutschen diesen sinnlosen Krieg ablehnen und sich für einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan aussprechen. Den Willen des Volkes umzusetzen und auch in Afghanistan die Menschenrechte durch Frieden und Gerechtigkeit umzusetzen, nicht aber durch militärische Gewalt zu verletzen, darin besteht die Aufgabe der Volksvertreter, vor allem derer, die sich als Mitglieder der CDU einer christlichen Lebenskultur verpflichtet fühlen. Gerade ein solcher Einsatz aus christlicher Verantwortung für ein ziviles Krisenmanagement erfordert Mut!
Gerade die Unterstützung der Soldatinnen und Soldaten, die vom Deutschen Bundestag mit einem Mandat ausgestattet werden, das viele Fragen offen lässt, verpflichtet uns als verantwortlichen Staatsbürger die Diskussion über das Parlament hinaus weiter zu tragen und eine verantwortliche gesellschaftlichen Meinungsbildung über das Konzept der Friedens- und Sicherheitspolitik Deutschlands und über die Art der Einsätze der Bundeswehr herbei zu führen.
Berlin, den 26. Januar 2011